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Waltraud Peppel: Schläft ein Lied in allen Dingen - über die Zufluchtnahme

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Daishin Rinzai Zen Sesshin Oktober 2017

„Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort
und die Welt hebt an zu singen
triffst Du nur das Zauberwort.“

Dieses Gedicht von Joseph Eichendorff fragt:
Wie können wir die Welt aus ihrem Schlaf holen?
Was kann zu unserem Zauberwort werden?

In den Religionen des Ostens geht man davon aus, dass die Vorstellungen, die wir uns von uns und unserer Welt machen illusorisch sind. Das Ich bestehend aus Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Willensregung und Bewusstsein ist in sich unbeständig, vergänglich und leer. Das ist zunächst schwer zu verstehen, da wir uns so stark mit unserem Ego identifizieren.

Weil dieses Ich so viel haben will, rennen und rennen wir wie verrückt ohne anzukommen und verpassen dabei die Schönheit des gegenwärtigen Augenblicks.
Im unermüdlichen Bestreben, unsere Wünsche zu erfüllen, werden wir immer wieder enttäuscht. Natürlich. Denn das Leben lässt sich nicht 8teln und in einen Schuhkarton mit der Aufschrift „perfekter Job“ oder „neue coole Freundin“ pressen.
Wir glauben, dass, wenn wir eine höhere Position, dies oder jenes erreicht haben, dann sind wir DER oder DIE… dann wird alles anders, besser.

Wir werden geboren, und nach einem gefühlten Flügelschlag müssen wir die Erde wieder verlassen.
Wer sind wir wirklich?
Was ist Leben? Was ist Tod?
Die Menschheit ist in einen Tiefschlaf gefallen und hat vergessen, dass es nur ein Traum ist. Schlafwandelnd verstricken wir uns in die äußeren Umstände und verlieren uns dabei selbst.

Von Zeit zu Zeit tauchen jedoch Fragen in uns auf und wir spüren, dass etwas in uns schlummert, das zur Wirklichkeit erwachen möchte.
Dass es vielleicht etwas gibt, das uns aus unserem Dornröschenschlaf aufwecken will.
Aber meist werden wir nicht wachgeküsst, sondern es ist das Leben, über das wir stolpern, und das uns dazu zwingt, anzuhalten, oder aber leise als Sehnsucht in unser Ohr flüstert:
Aufwachen, wach endlich auf!

Dieses unser Leben findet Jetzt, in diesem Einen Augenblick statt. Es will nichts anderes als durch uns leben und sich durch uns ausdrücken. Vollständig.
Vollständig meint ohne Gedanken, Konzepte und Wertungen.
Kompromissloses SichEinlassen auf unseren Alltag wie er ist.
Das klingt erst einmal nicht sehr spannend. Ja.
Freiheit gibt es jedoch nur Hier. Im ganz gewöhnlich normalen Sein.
Und darunter diese Momente, wenn plötzlich der Schnee auf den Grashalmen glitzert oder unser Herz durch die Wolken bricht, und wir ganz unwillkürlich innehalten und uns davon berühren lassen.

Im Zen geht es darum, aus unserer Scheinwelt auszusteigen.
Wir haben die Wahl: Wollen wir im selbstgezimmerten Gefängnis von To Do Listen und einem vollgestopften Terminkalender bleiben? Oder ein wahrer Mensch werden, wie Meister Rinzai sagt, dem es an nichts mangelt?

Zen möchte, dass wir einfach wir sind. Unsere selbstgebastelten Rollen ablegen.
Wir müssen nichts hinzufügen und nichts wegnehmen. Wir müssen uns nicht größer machen als wir sind.
Aber auch nicht kleiner und schwächer und darauf warten, dass endlich jemand erkennt, was für ein toller Typ wir eigentlich sind.
Es gibt nichts vorzuweisen.
Lasst uns doch Fehler machen, verletzlich und unvollständig sein!
Ich glaube, wir alle kennen niemanden, der perfekt ist.
Aber lasst uns unserem Herz folgen!

Die Sehnsucht, unserem Leben eine Mitte, eine Ausrichtung zu geben hat uns hierher geführt.
Es gibt auf diesem Weg des Zen eine großartige Unterstützung.
Die Schülerschaft auf Probe ist in erster Linie die offizielle Erlaubnis den Weg für mich zu öffnen, zu erfahren und zu prüfen.

Es ist im Daishin Zen auch die Zufluchtnahme zu den drei Juwelen:
Buddha, Dharma, Sangha.
Zuflucht nehmen heißt, an einen Ort zu gelangen, an dem wir uns geschützt und behütet fühlen.
Es ist ein Ort, aus dem wir nicht vertrieben werden können.
Diesen Ort finden wir in uns selbst.
Wenn wir Zuflucht nehmen, fühlen wir uns eingebettet in etwas sehr viel Größeres.

Es ist ein Ankommen, das Gefühl, endlich richtig zu sein, uns zu Hause fühlen zu dürfen; nicht nur in der Sangha oder dem Kloster, sondern eine Heimat zu finden in uns und gleichzeitig in allem, eine Heimat in dem unendlichen Raum.

"Ishin denshin" bedeutet, den Geist von Herz zu Herz übertragen.
Die Initiation in die lange und uralte Tradition knüpft uns an ein unsichtbares Band mit allen Vorfahren.
Durch diesen Anker sind wir mit der großen Kraft und dem Licht dieser Linie verbunden.
Sie hilft uns zu vertrauen.

Lasst uns also den Mut fassen, dem Weg unseres Herzens zu folgen.
Wenn wir wahrhaftig werden, erwacht die Welt.

Ich mache es zur Aufgabe meines Lebens, selbst ein Buddha zu werden.
Wir nehmen Zuflucht zum Buddha des Erwachens, unseres eigenen Geistes, unserer eigenen Natur. Wir werden frei.
Ich mache es zur Aufgabe meines Lebens nichts zwischen mich und die Wirklichkeit zu lassen.
Wir nehmen Zuflucht zum Dharma des wahren Gesetzes des Universums.
Ich mache es zur Aufgabe meines Lebens wie eine Sonne für alle Wesen zu leuchten. Wir nehmen Zuflucht zur Sangha der reinen Einheit.

Wenn wir wir selbst sind, erwacht die Welt.
Wenn wir mit unserer Liebe alle einzelnen Augenblicke anknipsen, dann öffnen sie sich zu kleinen leuchtenden Wirklichkeiten und verbinden sich zu dem, was wir Ewigkeit nennen.

„Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort
und die Welt hebt an zu singen
triffst Du nur das Zauberwort.“

Waltraud Peppel ist Meditationslehrerin des Daishin Zen