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Eine Woche im Antaiji - ein Reisebericht

Unser Freund und Shiroto Roman reiste für ein knappes Jahr durch Japan und machte dabei auch Station im Antaiji-Kloster - ein in der Soto-Zen-Tradition stehendes Kloster und damit eine etwas andere Erfahrung als im Daishin (Rinzai-) Zen.
Hier ist sein Bericht:
Eine Woche im Antaiji - ein Reisebericht
 

Eine Woche im Antaiji

8.35 zeigte der Wecker an, als ich nach einer Nacht mit wenig Schlaf erwachte. Eine Stunde später als geplant. Nach einem Sprint zur Bushaltestelle, einem Hindernislauf mit 20 kilo Gepäck drei Rolltreppen rauf und zwei runter, zwischen verschreckten Japanern hindurch und einer rätselhaften Suche nach der richtigen Verbindung am Bahnhof in Kyoto, der drei verschiedene Eisenbahnunternehmen beherbergt und mit einer durchweg in japanischen gehaltenen Auskunft ausgestattet ist, fand ich mich in einem der hochmoderenen Shinkansen wieder und raste mit 300km/h durch Japan.

Aus dem modernen Shinkansen stieg ich in einen sehr alten Zug um, der in Hamasaka endete, ein verschlafenes Dorf, jedoch mit dem Luxus eines Onsen-Fußbades versehen, an welchem sich bereits ein Amerikaner, Louis eingefunden hatte, der wie wahrscheinlich jeder Ausländer, der in diesem Ort auftaucht, auch ins Antaiji wollte. Der Busfahrer der einen klapprigen, alten Bus fuhr wusste natürlich auch direkt wo wir hinwollten und fuhr uns zum Weg nach Antaiji.

Der Empfang war kurz, es ging schnell mit einer grundlegenden Einweisung zum Kloster und vor allem zur Art und Weise wie die Mahlzeiten einzunehmen sind. Während der Mahlzeiten herrscht Schweigen und jede Bewegung ist vorgeschrieben. Die Essstäbchen haben zu jedem Zeitpunkt des Essens eine vorgeschriebene Position und Ausrichtung, der Zeitpunkt zum Nachschlag ist festgelegt und auch die Art und Weise die Schalen zu reinigen.

Es wird in einem hohen Tempo gegessen und alle warten bis alle ihr Mahl beendet haben, was wenig Gemütlichkeit beim Essen aufkommen lässt und ein hohes Konzentrationsniveau erfordert.

Die korrekte und zügige Essensweise ist von enormer Wichtigkeit. Fortschritte oder Unaufmerksamkeiten von uns Neuankömmlingen wurden sehr genau beobachtet. Obwohl diese Essensweise keine lange kulinarischen Betrachtungen zulässt, ist mir sehr das leckere Wildschweinfleisch in Erinnerung geblieben, welches von lokalen Jägern gespendet wurde und dessen Nachgeschmack ich während der längeren Nach-dem-Essen-Rezitation still etwas vor mich hin genoss.

Das ganze Klosterleben folgt einer extremen Strukturierung. Es wird gemeinsam meditiert, gewaschen, gegessen und gearbeitet. Alles folgt einer starken, aber nicht starren Form. Es gibt eine Form^, wie man Toiletten und Onsen betritt, wie die Besprechungen morgens und abends ablaufen und wie das Kloster gereinigt wird. Selbstverständlich wird früh aufgestanden, normalerweise um 3.45, denn die Meditation beginnt um Punkt 4.00. Allerdings bekam ich nie das Gefühl, dass es besonders früh wäre, da ab 8 Uhr abends Bettruhe herrscht und es ab 6 Uhr dunkel wird. Nach außen getragener Individualismus und nachlässige Verhaltensweisen wie Jacken liegenlassen oder abendliche Telefonate von uns Neuankömmlingen, wurde schnell mit kurzen Ansagen Einhalt geboten. Anfangs hatte ich innerlich etwas Widerstand gegen diese Strenge, schnell begann ich jedoch auch die Vorzüge zu schätzen.

So nahm meine Denken schnell ab, da es immer eindeutig war, wo man zu welcher Zeit, was zu tun hatte. Zum Schluss kam ich an einen Punkt, an dem ich begann die verbliebenen geistigen Anstrengungen auf die Arbeit und den Moment zu richten. Da alle immer alles gemeinsam machen, kommt ein starkes Gruppengefühl auf. Sehr angenehm war auch die egalitäre Hierarchie im Antaiji. Erster Jikku, Tenzo und andere wichtige Positionen wechseln unter den dauerhaften Mönchen alle vier Tage.

In der Woche in der ich anwesend war, wurde viel gearbeitet. Reispflanzen mussten eingebracht werden, eine Arbeit die Ausdauer, Geduld und Präzision erfordert. Eine andere Aufgabe der Jahreszeit war das Wechseln des Papiers der Shoji-Wände, der traditionellen japanischen Türen und Fenstern. Die Arbeit war anstrengend, allerdings gab es auch immer eine Kaffepause und eine Mittagspause, was den Tagesablauf auflockerte. Mich beeindruckte sehr mit welcher Freude und Entschlossenheit die Mönche und Nonnen an die Arbeit gehen.

Willkommene Freizeitaktivität war das Balancieren auf der Slackline, welche laut Abt Muho erstens der Haltung beim Sitzen zuträglich ist und in sich selbst eine gute Übung darstellt. Ein für mich großer Spaß war auch das Spielen mit dem Klosterhund, welcher sehr gut erzogen ist, jedoch auch eine sehr wilde Seite hat (er liebt es einen leicht zu beißen). Wenn Zeit vorhanden war, konnte man auch einige Stunden in der Bibliothek verbringen, welche über eine Unmenge an alten und neuen Büchern verfügt und gemütlich eingerichtet ist.

Da am Tag meiner Abreise kein Bus fuhr, nahm mich Abt Muho mit nach Tottori. Während der Autofahrt entspann sich ein Gespräch über Physik, den Zen Weg und die sich entwickelnde Achtsamkeit mit der man sich dem Alltag besser stellen kann. Beeindruckt und inspiriert ließ ich im Zug nach Kyoto noch etwas meine Gedanken schweifen, als ich schließlich bemerkte das ich meinen Lieblingspullover im Auto des Zen-Meisters vergessen hatte.

Ich bin sehr dankbar für meine Zeit im Antaiji, ich nahm viele interessante Eindrücke und ließ neben meinem geliebten Pullover auch anderen Ballast zurück.

どうもありがとうございます !

Gassho

Roman