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Snowy Rohatsu im Dezember: Leidfreie Wirklicheit

Snowy Rohatsu im Dezember: Leidfreie Wirklicheit
 

7 Tage wie ein Tag – wie sollen wir das je schaffen? Wie viele Sitzrunden passen zwischen sieben Mal Frühstück, sieben Mal Mittagsimbiss, sieben Mal Abendessen? Wie viele Kinhin? Wie viele Rezitationen?

Verbeugen, hinknien. Sitzen. Klack, Klack. Klack. Vier Pings. Atmen. Ausatmen. Betrachten. Zählen. An den überfüllten Zug denken. Weg mit diesem Gedanken. Atmen. Ausatmen. Betrachten. Tut mein Knie etwa jetzt schon weh? Schon wieder ein überflüssiger Gedanke. Weg damit. Aber bitte ohne Selbstanklage. Auch das leichter gesagt als getan.

Sesshin. Ein Herz. Nicht nur mal vierzig, so viele sind wir hier. Sondern mal Hunderttausend. Vielleicht Millionen. Weltweit ist diese erste Dezemberwoche, in der der Legende nach Buddha erleuchtet wurde, gesetzte Meditationszeit. Wir sind nicht allein. Und der Supermond leuchtet für uns alle. Auch hinter den Wolken.

Leidfreie Wirklichkeit lautet diesmal das Motto. Unser Zenmeister Hinnerk will uns einen Vorgeschmack darauf geben. Der Beginn ist, die rechte Sitzhaltung zu finden. Reglos sitzen. Den Körper still werden lassen. Innehalten. Und dann die Energie im Hara sammeln und beruhigen durch tiefes Ausatmen. Erst wenn der Körper still wird, kann auch der Geist still werden. Nichtdenken, upacara samadhi. Plötzlich, während seines Teishos, gelingt es. Die Gedanken sind weg. Tiefe Stille. Eine Welle von Wärme und Wohlbefinden erfasst den ganzen Körper. Gleißendes Licht strömt durch jede Körperzelle. Reine Energie. Pure Ekstase. Stellen sich gerade die Körperhärchen auf? Und dann verebbt dieses Wohlbehagen. Die Welle verklingt. Hat ein aufschießender Gedanke die Harmonie gestört? Bevor dieser Gedanke sich festkrallen kann, nähert sich schon die nächste Welle. Noch wärmer. Noch gleißender, intensiver. Ein Rausch, ohne zu berauschen. Gleichzeitig scheint der Körper sich zu weiten, seine Grenzen auszudehnen. Und diese Welle ist noch nicht verebbt, da nähert sich schon die nächste, noch mächtiger, noch stärker, noch köstlicher. Auch wenn es Anhaften bedeutet, das hier soll bitte niemals aufhören! Aber jedes Teisho geht zu Ende, auch dieses.

Teisho von Zen-Meister Hinnerk Polenski:
Leidfreie Wirklicheit
Leidfreie Wirklicheit Teil II

Ein Tag wie sieben Tage. Vergangen wie ein Wimpernschlag. Natürlich tauchen wieder Gedanken auf und schmelzen wie Schneeflocken. Die Stille des Rohatsu bleibt als Erfahrung. Eine innere Zuflucht, die sich jederzeit wieder öffnen kann. In der U-Bahn, zu Hause auf dem Sofa, beim Spaziergang im Wald.

Michael Hoki